Tinnitus

Ein Ohrgeräusch kann allmählich oder plötzlich auftreten und die Lebens- und Schlafqualität erheblich einschränken. Tinnitus ist weit verbreitet und einer der häufigsten Konsultationsgründe bei uns Ohrenärzten.

Tinnitus ist keine Krankheit sondern eine lexikalische Definition einer Geräuschwahrnehmung, die nicht von einer äusseren Schallquelle stammt. Es gibt viele Ursachen für Tinnitus, die allermeisten sind harmlos und viele davon sind temporär. Die vielen Informationen im Internet führen bei Betroffenen häufig zu einer zusätzlichen Verunsicherung und Angst, was den Tinnitus zusätzlich intensivieren kann.

Ursache ist eine gestörte Reizverarbeitung in der Hörbahn
Die Forschung hat gezeigt, dass Tinnitus eine zentrale Wahrnehmungsstörung darstellt. Auch nach Durchtrennen des Hörnerven wird Tinnitus weiter wahrgenommen, ähnlich wie ein Phantomschmerz. Die Störung entsteht im Verlaufe der Hörbahn im Gehirn, indem Filtermechanismen gestört werden, welche Energie benötigen. Besteht ein allgemeiner Energiemangel, z.B. durch Schlafmangel, Müdigkeit, Stress, Angst und psychischer Belastungssituation, entsteht eine Tinnituswahrnehmung oder verstärkt sich ein vorbestehender Tinnitus. Der Patient driftet in einen Teufelskreis, indem als Folge des Ohrgeräusches psychische Probleme auftreten, wie Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Depressionen und Burnout. Dadurch verstärkt sich der Tinnitus zusätzlich. Die Folgen können Probleme in der Alltagsbewältigung sein und bis hin zu Arbeitsunfähigkeit reichen. Deswegen ist eine frühzeitige ohrenärztliche Untersuchung und Beratung angezeigt.

Tinnitus-Einteilung nach Art

1. Objektiver Tinnitus
Kann vom Untersucher mittels Stethoskop gehört werden. Dazu gehören Fisteln zwischen Arterien und Venen im Schädel oder andere Gefässanomalien, welche pulssynchrone Strömungsgeräusche hervorrufen. Auch unregelmässig klopfende Geräusche durch Kontraktionen von Mittelohrmuskeln gehören dazu. Objektiver Tinnitus ist sehr selten.

2. Subjektiver Tinnitus
Kann Begleitsymptom von Krankheiten sein (siehe unten) oder selbständig ohne ursächliche organische Krankheit (idiopathisch) auftreten.

Tinnitus-Einteilung nach Schweregrad
Mit Hilfe eines Fragebogens wird der Tinnitus in 4 Schweregrade eingeteilt. Dadurch erlangt der Arzt Informationen, wie stark der Patient im Alltag durch den Tinnitus eingeschränkt wird.

  • Grad I: Gut kompensierbarer Tinnitus ohne Leidensdruck
  • Grad II: Tinnitus tritt hauptsächlich in Stille in Erscheinung und wirkt störend bei Stress und Belastung
  • Grad III: Tinnitus führt zu einer dauernden Beeinträchtigung im privaten und beruflichen Alltag. Der Patient weist Störungen im Fühlen, Denken, Handeln und im körperlichen Bereich auf.
  • Grad IV: Tinnitus führt zum totalen Rückzug im privaten, schulischen und beruflichen Alltag. Längere Arbeitsunfähigkeit kann die Folge sein.

Beim Grad I und II ist der Tinnitus kompensiert, bei Grad II und IV liegt ein dekompensierter Tinnitus vor mit eingeschränkter Lebens- und Schlafqualität und Folgekrankheiten.

Tinnitus-Einteilung nach Dauer
Unterschieden wird ein akuter Tinnitus von einem chronischem Tinnitus, wenn er länger als 3 Monate andauert.

Viele Ohr- und Allgemeinerkrankungen können mit einem Tinnitus einhergehen. Gleich vorab: Gefährliche und lebensbedrohliche Erkrankungen wie Hirntumor und platzende Hirngefässe sind extrem selten! Der häufigste Grund für einen frischen Tinnitus ist der Ohrenpfopfen. Jegliche Erkrankungen des äusseren Gehörganges, des Trommelfells, der Gehörknöchelchen, der Pauke, des Innenohrs und des Hörnerven können einen Tinnitus verursachen. Seltene Erkrankungen sind solche des Stoffwechsels, des Herzkreislaufs, der Halswirbelsäule und der Kiefergelenke.

In jedem Fall sollte am Anfang eine ohrenärztliche Abklärung stehen, bevor Therapiemassnahmen unternommen werden. Kommen Sie rasch zu uns wenn:

  • Sie einen frischen, lauten und einseitigen Pfeifftinnitus wahrnehmen, v.a. wenn auch eine frische Hörstörung und/oder ein Drehschwindel einhergehen. Hierbei könnte es sich um einen Hörsturz oder ein Vestibularissyndrom handeln. Ein rascher Behandlungsbeginn kann helfen!
  • der Tinnitus verunsichert und die Schlaf- oder Lebensqualität sowie den Arbeitsalltag beeinträchtigt.
  • Sie Angst vor einer schlimmeren Erkrankung haben

Am Anfang steht das ärztliche Gespräch mit Erhebung der Krankengeschichte. Erfragt werden u.a. Beginn, Qualität, Intensität, Lokalisation, Begleitsymptome, Auslöser, Ohrerkrankungen, Lärmeinwirkung. Der Schweregrad wird bestimmt.

Die HNO-ärztliche Untersuchung beinhaltet die Ohrmikroskopie mit Reinigung und Beurteilung des Gehörganges und des Trommelfelles, die Tympanometrie, die Stapediusreflexmessung, die Reintonaudiometrie mit Bestimmung der Unbehaglichkeitsschwelle und des Tinnitusmatchings sowie die Untersuchung der Kiefergelenke und Nasennebenhöhlen.

Die Therapie richtet sich nach der Ursache und Dauer des Tinnitus. Beim akuten Tinnitus wird bei gleichzeitiger Hörstörung im Sinne eines Hörsturzes oder Hydrops innerhalb der ersten paar Tage eine Behandlung mit Kortison und Betahistin begonnen. Bei fehlender Besserung der Hörschwelle kann eine intratympanale Dexamethasoninstillation angeschlossen werden. Andere früher empfohlene Therapien wie Infusionen, Sauerstoff- oder Oxycarbontherapie, hyperbare Oxygenation und sogenannt durchblutungsfördernde Medikamente haben in Metaanalysen keine evidente Wirksamkeit beweisen können.
Beim länger anhaltenden Tinnitus richtet sich die Behandlung danach, ob der Tinnitus kompensiert ist (Tinnitus Grad I und II) oder dekompensiert ist (Tinnitus Grad III und IV). Im letzteren Fall bestehen sekundäre Krankheitsfolgen wie Schlafstörungen, Konzentrationsdefizite und psychoneurotische Fehlentwicklungen. Der kompensierte Tinnitus wird mittels ärztlichem Tinnitus-Counseling behandelt. Medikamente sind unnötig oder verlängern gar die Tinnitusdauer. Der dekompensierte Tinnitus erfordert neben dem Tinnitus-Counseling weitergehende Massnahmen wie beruhigende und antidepressive Medikamente, akustische Therapie mit Masking oder Musiktherapie, Elektrostimulationsverfahren, psychotherapeutische Verfahren wie z.B. autogenes Training und Bio-Feedback.